Ist die Goldhämmerfüllung noch aktuell?
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Gold gehört zu den ältesten Füllungsmaterialien, die in der Mundhöhle eingesetzt werden. Das belegen Ausgrabungen in Myanmar (Fokus 2003) mit mehr als ein Jahrtausend alten Funden sowie erste schriftliche Hinweise, die 1450 bei Giovanni d‘Arcoli zu finden sind (Hoffmann-Axthelm). In deutschen Lehrbüchern vom Anfang des 20. Jahrhunderts ist die Goldhämmerfüllung noch als eine zentrale Methode zum Füllen der Zähne zu finden und wurde auch als solche gelehrt. Heute wird diese Technik an deutschen Universitäten nur noch vereinzelt angewendet. Dabei ist Gold im Hinblick auf die – heute wieder stark nachgefragte – Biokompatibiliät immer noch das beste Material in der Mund- höhle mit der längsten Haltbarkeit.
Die Goldhämmerfüllung ist eine einzeitige Versorgung, bei der hochreines Gold direkt in die speziell präparierte Kavität des Zahnes verdichtet wird. Aufgrund der einzigartigen Materialeigenschaften von Gold ist es bis heute eine sehr gute Möglichkeit, um z. B. kleine nichtokklusionstragende Primär- und Zahnhalsdefekte zu versorgen. Die Technik erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Können und verzeiht keine Präparations- oder Verarbeitungsfehler; bei richtigem Vorgehen ist die Lebensdauer jedoch unbegrenzt. Die Indikationsgebiete überschneiden sich z. T. mit Amalgam oder Composite, so dass aus ökonomischen oder ästhetischen Gründen heute häufiger diese Füllungsmaterialien gewählt werden. Hinsichtlich Biokompatibilität und Lebensdauer ist jedoch die Goldhämmerfüllung allen anderen vorhandenen Füllungswerkstoffen in der minimalinvasiven Therapie überlegen.
Materialeigenschaften von Gold
Gold hat die Eigenschaft, in hochreinem Zustand unter Druck an seinen Grenzflächen atomare Bindungen einzugehen. Durch diesen Vorgang des Kaltpressverschweißens wird eine kohäsive Verbindung zwischen zwei aufeinandergelegten hochreinen Goldschichten hergestellt: Es entsteht eine dichte Stopfgoldfüllung. Die natürliche Elastizität des Dentins und die Materialeigenschaften des durch Druck komprimierten Goldes werden ausgenutzt, um eine Verkeilung des Füllungskörpers in einer scharfkantig parallelen Kavität zu erreichen. Erst mit der absoluten Trockenlegung nach Einführung des Kofferdams 1864 ist es möglich geworden, Gold direkt in der Kavität zu verschweißen.
Heute wird meist E-Z – auch Easy Gold genannt (Loyd Baum Dental Center, Loma Linda, USA) – verwendet, welches erst nach Reinigung durch Erhitzen in einer reinen Alkoholflamme in der Kavität kaltverschweisst werden kann.
Gold besitzt eine hohe Duktiliät, d. h. es kann ohne Materialbruch gezogen werden, was bei richtiger Verarbeitung eine sehr gute Oberflächenpolierbarkeit und einen perfekten Randschluss ohne Zementierfuge mit einer dauerhaft optimalen Wandständigkeit garantiert (Paul a/b, Hahn, Kamann). Qualitative Veränderungen der Goldhämmerfüllung sind auch über lange Zeiträume nur in geringfügigem Umfang zu finden, wobei lediglich die Homogenität der Goldoberfläche, nicht aber das Randverhalten betroffen sind (Jung & Kockopan, Reichenmiller, Buzzi). Gold ist unlösbar im Mundmilieu, zeigt keine Korrosion wie Amalgam und schrumpft und verfärbt sich nicht wie Composite. Die Sekundärkariesrate wird aufgrund bakteriostatischer Eigenschaften allgemein als sehr niedrig eingestuft (Mayer, Kamann, Reichemiller). Die durchschnittliche Funktionszeit wird mit 18 bis 25 Jahren angegeben (Mjör, Christen, Allen); es liegen aber auch Fotodokumentationen von 70 Jahre alten Füllungen vor (Meyer). Die dentinähnliche thermische Expansion und die gute Gewebeverträglichkeit kommen besonders bei Zahnhalskavitäten zum Tragen: Mikrobiegungen im Zahnhalsbereich werden durch diese Füllung toleriert, ohne zum Verlust zu führen. Aufgrund der hohen Biokompatibilität wächst die Gingiva teilweise über den Füllungsrand nach inzisal. Nachteil einer direkten Goldrestauration ist die niedrige Oberflächenhärte. Gold ist daher nicht für ausgedehnte Kavitäten und im kaudruckbelasteten Bereich indiziert. Die hohe thermische Leitfähigkeit von Gold verlangt bei tieferen Kavitäten eine Isolierung durch eine Unterfüllung. Obwohl Goldhämmerfüllungen als zeit- und materialintensiv gelten, fand Kamann einen nur geringfügig erhöhten Zeitaufwand bei Goldhämmerfüllungen im Vergleich zu lege artis durchgeführten Composite– oder Amalgamfüllungen, wobei direkt appliziertes Gold den entscheidenden Vorteil einer vergleichsweise hohen Lebensdauer aufweist.
Indikation
Die Goldhämmerfüllung ist hervorragend für Zahnhalsdefekte und kleine, nicht okklusionstragende Kavitäten an vitalen, parodontal gesunden Zähnen geeignet. Voraussetzungen sind ein kariesresistentes Gebiss und eine gute Mundhygiene. Limitiert werden diese Füllungen durch die Größe und den Öffnungswinkel der Kavität, die Zugangsmöglichkeit in der Mundhöhle und durch die ästhetischen Ansprüche. Folgende Indikationsgebiete werden favorisiert:
- Im Bereich der bukkalen Querfissur unterer Molaren (buccal pit)
- Palatinales Grübchen an Oberkieferfrontzähnen (Foramen coecum)
- Im Bereich des Tuberculum Carabelli
- Okklusal an Molaren und Prämolaren
- Mesial-Approximal an durchbrechenden Zähnen (mesial am Sechsjahresmolaren nach der Exfoliation des Milchmolaren)
- Reparatur von Goldrestaurationen
- Kronenrandreparatur
- Verschluss kleiner Trepanationsöffnungen
Präparation und Kondensation
Die Präparation orientiert sich an der Ausdehnung des Defektes, wobei der Kavitätenboden mindestens 1 mm in das Dentin hineinreichen sollte. Für die initiale Präparation kommen rotierende Instrumente wie kleine scharfkantig parallele, gewendelte Hartmetallfinierer zum Einsatz. Um eine effektive Gestaltung der für die Retention notwendigen scharfen Linien und Winkel zu erreichen, ist der Einsatz von Handinstrumenten in Form von Hauen und Meißeln unabdingbar, wobei durch ziehende oder stoßende Bewegungen der Kavitätenboden geglättet und eine scharfkantig parallele Umrissform erzielt wird.
Je größer die Kavität, desto präziser müssen die retentiven Bereiche herausgearbeitet werden. Eine fehlerhafte Retentionsform führt im Gegensatz zu anderen Füllungsmaterialien zum sofortigen Verlust, meist schon der ersten Goldlage.
Während der schrittweisen Kondensation des Goldes mit einem Handhammer oder einem elektrischen Kondensiergerät wird das Dentin durch Druck auf das Gold elastisch deformiert und kann nach Härtung des Goldes nicht mehr in seine ursprüngliche Lage zurückfedern – es kommt zu einer Verkeilung des Füllungskörpers. Nach Abschluss der mit leichtem Goldüberschuss kondensierten Kavität wird mit Hand- und rotierenden Instrumenten wie Arkansassteinchen, Gummipolierern und Sandpapierscheiben der ursprüngliche Kavitätenumriss wiederhergestellt. Abschließend nach Entfernen des Kofferdams sollten eine Okklusionskontrolle und die Fluoridierung des Zahnes erfolgen.
Kurzzeitige Missempfindungen direkt nach Legen der Füllung sind möglich, worauf der Patient hingewiesen werden sollte.
Für die grazilen Arbeiten bei der Präparation, der Kondensation und der Ausarbeitung einer Goldhämmerfüllung ist die Lupenbrille als vergrößernde Maß- nahme eine wichtige Voraussetzung.
Diskussion
Vor dem Hintergrund zunehmender Allergien auf Kunststoffe wird die Biokompatibilität des eingesetzten Füllungswerkstoffes am Patienten für die Auswahl des Restaurationsmaterials zur entscheidenden Frage. Gold ist hinsichtlich der Biokompatibiliät sowohl Amalgam als auch Composite überlegen.
Es ist einzigartig hinsichtlich seiner Materialeigenschaften und gibt uns die Möglichkeit, Füllungen zu legen, die ein Patientenleben lang halten.
Kein bisher vorhandenes Füllungsmaterial kann den Anspruch auf universelle Anwendbarkeit für alle Arten von Defekten erfüllen: Alle Materialien haben Vor- und Nachteile, je nach Defektgröße und -lage. Nachteil von Gold sind die initialen Kosten, evtl. die Farbe und eine aufwendigere Verarbeitung im Vergleich zu anderen Füllwerkstoffen. Jedoch relativieren sich die Kosten der lebenslang haltendenden Goldhämmerfüllung im Vergleich zu Restaurationen, die mehrfach im Laufe des Lebens wegen Verlust oder Sekundärkaries erneuert werden müssen.
Außerdem nehmen durch die langjährigen Prophylaxemaßnahmen die Anzahl und die Größe der Defekte ab, was für den Einsatz von Goldhämmerfüllungen spricht. Patienten werden immer älter und weisen sehr oft Zahnhalsdefekte auf, die hervorragend mit Goldhämmerfüllungen versorgt werden können. Gerade für diese Indikation ist kein gleichwertiges Alternativmaterial bekannt.
Bisher existiert kein Material, was Gold in der Mundhöhle ersetzen kann: es verdient daher einen Platz im Bereich der Füllungswerkstoffe und sollte dem Patienten angeboten werden als ein biokompatibles und lang haltbares Material.